Religion (Text)
Pfadi & Religion
Die Pfadibewegung gilt heute als internationale, religiös und politisch unabhängige
Erziehungsbewegung für Kinder und Jugendliche, die Menschen aller Nationalitäten und
Glaubensrichtungen offensteht. Ziel der Pfadibewegung ist die Förderung der Entwicklung
junger Menschen, damit diese in der Geschellschaft Verantwortung übernehmen können.
So steht es zumindest auf Wikipedia geschrieben. Für euch bedeutet „Pfadi“ vielleicht etwas
ganz Anderes. Doch wie kam es dazu, dass wir heute gemeinsam hier sind?
Lord Robert Baden-Powell of Gilwell, kurz BiPi, war Gründer der Pfadi. Er ist 1857 in London als
eines der 14 Kinder, eines anglikanischen Pfarrers geboren. Während seiner Kindheit fühlte
Robert sich sehr zu seinem Grossvater hingezogen. Dieser weckte in ihm die Lust am
Abenteuer und am Beobachten der Natur. Im College nutzte er jede freie Minute, um einen
verwilderten Park zu durchstreifen, Spuren der Tiere zu suchen und sich im Freien zurecht zu
finden.
Nach Abschluss des Colleges bewarb sich Baden-Powell um einen Ausbildungsplatz zum
Offizier bei der britischen Armee.
Dort fiel er auf, weil er nicht wie seine Kameraden sein Geld in Bars verschwendete, sondern
sich in der freien Natur vergnügte.
Seine Talente kamen auch den Vorgesetzten zu Ohren. Sie übertrugen ihm die Ausbildung der
Scouts, der Pfadfinder, die nicht im offenen Kampf eingesetzt wurden, sondern das
gegnerische Lager auskundschaften mussten. Sie dienten der Spähaufklärung, welche mit den
Informationen zur Feindstärke, Gefechtsgliederung und Verhalten
wiederum für die Entscheidungsfindung in der Gefechtsplanung wichtig war.
Baden-Powell hielt sich bei der Ausbildung der Scouts nicht an herkömmliche Methoden,
sondern zeigte seinen Schützlingen spielerisch, wie sie sich zu verhalten hatten. Er erklärte
ihnen, was der Zweck ihrer Arbeit war, und er versuchte, ihnen die Freude an der Tätigkeit zu
zeigen. Er gab keine strikten Anordnungen, sondern nur Tipps und Anregungen, die zur Lösung
eines Problems halfen. Er hielt keine langen Vorträge über seine eigenen Erfahrungen, denn er
wollte, dass seine Schützlinge aus ihren eigenen Erfahrungen lernten. «Learning by Doing»
nannte er dieses System. Baden-Powell überzeugte und führte, indem er ein Vorbild gab!
1899 erschien Baden-Powells erstes Buch «Aids to Scouting». Er empfahl es dem englischen
Generalstab als allgemeine Ausbildungslektüre.
Im selben Jahr wurde Baden-Powell nach Afrika versetzt. Er sollte dort, in Mafeking, einer
kleinen Frontstadt, britische Soldaten für den Dschungelkampf ausbilden.
Nach diesem Krieg wurde Baden-Powell nach England zurückbeordert. Er wurde zum General
befördert und mit dem Kreuz des Bath-Ordens ausgezeichnet. Schon bei seiner Ankunft stellte
er fassungslos fest, dass er ein Held geworden war. Die englischen Zeitungen hatten von der
Belagerung Mafekings berichtet und ganz England hatte den spannenden Kampf um Mafeking
verfolgt.Besonders die Jungen waren begeistert von Baden-Powell. Sein Buch «Aids to Scouting» war
ein Jugendbuch-Bestseller geworden. Baden-Powell war gar nicht glücklich darüber, denn es
war ein militärisches Buch. Als Mann, der den Frieden liebte, wollte er nicht, dass ein
derartiges Buch in die Hände der Jungen kam. Die Entwicklung war jedoch nicht mehr
rückgängig zu machen, da beschloss Baden-Powell ein zweites Buch zu schreiben. Dieses
wollte er «Scouting for Boys» nennen.
Darin versuchte er vorallem sinnvoll gestaltete Spiele einzubauen, um so denn Jungennützliche
Fähigkeiten beizubringen.
Wieder wurde Baden-Powell nach Afrika geschickt, diesmal um die südafrikanische
Schutzpolizei auszubilden. Die berittenen Polizisten trugen einen breitrandigen Hut, ein
Halstuch und ein Khakihemd – die spätere Tracht der Pfadfinder.
Als er wiederum zurückkehrte, wollte er sich erneut seinem bevorzugten Thema widem, der
Jugenderziehung.
Bevor Baden-Powell aber zur Feder griff, wollte er eigene Erfahrungen sammeln. Zu diesem
Zweck organisierte er ein Lager. Er trommelte insgesamt 22 Jungen aus verschiedenen
Gesellschaftsschichten zusammen. Mit diesen 22 Jungen ruderte er im Sommer 1907 zur Insel
Brownsea hinüber. Dort schlugen sie die Zelte auf.
BiPi berichtete später: Der Trupp der Jungen wurde aufgeteilt in Patrouillen zu fünf Mann. Der
älteste wurde Patrouillenführer. Diese Einteilung in kleine Gruppen war das Geheimnis unseres
Erfolges.» Jedem Patrouillenführer wurde volle Verantwortung für das Verhalten seiner Leute
übertragen, und zwar für die ganze Zeit des Lagers. Die Patrouille war eine Einheit für
Ausbildung, Arbeit und Spiel. Jede Patrouille lagerte an ihrem eigenen Platz. Die Jungen
wurden bei ihrer Ehre verpflichtet, die angeordneten Dinge auch auszuführen.
Verantwortlichkeit und gesunde Rivalität wurden auf diese Weise geweckt.
Ganz Engladn sprach vom Erfolg; Bipi hatte ein Jugendlager veranstaltet, indem kein
erzieherischer Zwang ausgeübt worden war.
In einer neu gegründeten Zeitschrift veröffentliche BiPi Kapitel für Kapitel sein Buch „Scouting
für Boys“
Später wurde es, in viele Sprachen übersetzt, zum grössten pädagogischen Werk unseres
Jahrhunderts. Wieso kam es zu diesem Erfolg? «Scouting for Boys» war keine der üblichen
schwer verständlichen Abhandlungen eines Pädagogen. Es war ein einfaches Buch, behaglich
und spannend erzählt. Baden-Powell berichtete von seinen Abenteuern in der Steppe und im
Dschungel. Man erfuhr, wie man ein Feuer ohne Streichhölzer macht, wie man Entfernungen
schätzt, Fährten von Tieren und Menschen deutet und verfolgt, Knoten bindet, wie man die
Himmelsrichtungen ohne Kompass ermittelt und Erste Hilfe leistet. Er empfahl den Jungen,
sich in kleinen Gruppen zusammen zu tun, täglich eine gute Tat zu leisten und immer
hilfsbereit zu sein.
Viele Kritiker fragen sich, was das alles mit Pädagogik zu tun habe. Baden-Powell schrieb
wirklich nicht viel über psychologische Persönlichkeitsentwicklung, Motivationssteuerung undähnliche Schlagworte. Er gab den Jungen Tipps, wie sie spielerisch, ohne es zu merken, diese
Ziele erreichten.
Das Buch wurde weltweit zum Bestseller und immer mehr Gruppierungen übernahmen die
Pfadfindermethode von Baden-Powell.
Baden-Powell organisierte 1909 ein Pfadfindertreffen in London. Unter den 11 000
Teilnehmern entdeckte er eine Schar Mädchen. Sie trugen auch eine Pfadfindertracht, kamen
auf ihn zu und sagten: «Wir sind Girl Scouts, Mister Baden-Powell.» Baden-Powell war
begeistert, dass sich seiner ursprünglich nur für Knaben gedachten Organisation auch
Mädchen anschliessen wollten.
Damals war eine Gemeinschaftserziehung von Mädchen und Knaben noch undenkbar, deshalb
wurden sie sehr streng getrennt. Die Jungen zu den Boy Scouts und die Mädchen zu den Girl
Guides. Baden-Powell entschloss sich, sein Buch «Scouting for Boys» für die Interessen der
Mädchen umzuschreiben. Seine Schwester Agnes half ihm dabei. Im Jahre 1912 heiratete
Baden-Powell die 22-jährige Olave St. Clair. Olave begeisterte sich für die Pfadfinderei und
übernahm im Jahre 1916 die Führung der englischen Girl Guides.
Immer mehr Gruppierungen nannten sich Pfadifinder, grosse Organisationen, wie wir sie heute
kennen, gab es noch nicht. So bildeten sich auch in der Schweiz 1910 die erste Buben- und
1911 die erste Mädchen-Pfadigruppe.
Die Pfadibewegung Schweiz sagt heute: In der Pfadi sind alle willkommen, unabhängig von
Herkunft, Kultur und Religion.
Zu Zeiten der ersten Pfadigruppierungen lautete das von Bipi beschriebene Versprechen
noch:
Ich verspreche bei meiner Ehre, mein Bestes zu tun, Gott und meinem Vaterland zu dienen,
anderen jederzeit zu helfen & dem Gesetz der boy scouts/ girl guides zu helfen.
Auch in den frühen Tagen der Pfadibewegung in der Schweiz übernahmen religiöse
Gruppierungen die Pfadifindermethode. In der welschen Schweiz erkannte die
Knabengruppen des Christlicher Verein Junger Menschen (CVJM) sehr schnell, dass die Ideen,
die Baden-Powell in die Welt gebracht hatte, die Jungen wesentlich mehr begeisterten. Am
1912 gründeten sie den ersten schweizerischen Pfadfinderbund.
Gleichzeitig entstand in Genf ein vom CVJM unabhängiger Pfadfinderverein.
Noch im gleichen Jahr schlossen sich beide zum SPB für die deutsch & welschschweiz
(Schweizerischer Pfadfinderbund): damals noch nur Jungen zusammen.
Weitere Jugendverbände des CVJM blieben unabhängig von der Pfadi bestehen und schlossen
sich 1973 mit der CVJF zur Cevi zusammen. Heute bieten Cevis in der ganzen Schweiz pfadi-
ähnliches Programm an. Auch sie planen nach der Kopf-Hand-Herz-Methode und organisierenunter dem J&S Lager durch. Teils sind auch die Ausbildungskurse ähnlich organisiert. Je nach
Region wird das Programm nach biblischen Geschichten eingekleidet und Andachten
durchgeführt.
Eine weitere religiöse Gruppe, die mit der Pfadfindermethode arbeitet sind die Royal Rangers,
ein internationaler jugendverband pfingstkirchlicher Prägung. Hier als kurze Erklärung, etwa
1/5 aller Christen sind Pfingstchristen. Pfingstchristen selbst schreiben den Erfolg dem
Heiligen Geist zu, Rettung, Heilung und so weiter.
Die Arbeit der Royal Rangers wird von zwei Aspekten geprägt: zum einen von der
Pfadfindermethode und zum anderen vom christlichen Missionsauftrag. „Allzeit bereit“ lautet
das Motto und steht in erster Linie für die Bereitschaft, Jesus zu dienen.
Aufgrund der Entstehung in den USA ist die Umsetzung der Pfadfindermethode bei den Royal
Rangers stark von der Praxis der Boy Scouts of America geprägt.
Im Gegensatz zu zahlreichen außereuropäischen Verbänden arbeiten die Royal Rangers im
deutschsprachigen Raum koedukativ. Das Selbstverständnis der Royal Rangers sieht „kreative
Erlebnispädagogik durch Teamwork, Spaß und viel Aktion – in und mit der Natur vor.
Das Emblem der Royal Ranger ist eine Windrose mit 16 Zacken.
Die vier goldenen Zacken stehen für die „vier Wachstumsbereiche“ der Royal Rangers:
körperlich, geistig, geistlich und gesellschaftlich. Die vier roten Zacken stellen die „vier
Grundwahrheiten der Gemeinde“ dar: die Erlösung durch Jesus Christus, den Heiligen Geist
als Kraftspender und Helfer, die Heilung der Menschen durch Jesus Christus und die
Wiederkunft Jesu. Die acht blauen Zacken stehen für die Grundsätze der Royal Rangers. Ein
Royal Ranger ist: wachsam, rein, ehrlich, tapfer, treu, höflich, gehorsam, geistlich.
1982 begann die Arbeit der Royal Rangers in der Schweiz. Verbreitet in der deutschsprachigen
Schweiz und im Tessin und zählen rund 1'850 Mitglieder. Die Royal-Rangers-Jungscharen
sehen sich als Jungschararbeit an und grenzen sich damit von den säkularen
Pfadfinderverbänden, also nicht auf religiösen Überzeugungen basierend, ab. Den Kinder
sollen die Grundlagen der Bibel spielerisch vermittelt werden, es wird gemeinsam gebetet
und versucht ihnen den Glauben näher zu bringen.
Die Pfadfindermethode wird also nicht nur von der Pfadi, heute als Pfadibewegung Schweiz,
gebraucht, sondern von verschiedenen Gruppierungen. Die Idee war zu Zeiten von BiPi neu,
da sie spielerisch & nicht bevormundend war.
Religion spielt in der Pfadibewegung Schweiz, wenn eine untergeordnete Rolle. Eine definitive
Abweisung gibt es jedoch auch nicht. Die Entwicklung der Pfadi zu einer weniger religiös
geprägten Bewegung entstand wohl fliessend. In der ganzen Schweiz hat sich vorallem seit
1970 die Religionslandschaft erheblich gewandelt. Im Zuge der Säkularisierung, Pluralisierung
und Individualisierung der Gesellschaft wandten sich immer mehr Menschen von den
traditionellen Konfessionen ab. Seit 2000 wächst die Gruppe der Personen ohne
Religionszugehörigkeit am stärksten.
Heute heisst das Versprechen: Zusammen mit Euch allen versuche ich, nach diesem
Versprechen zu leben.
Vielleicht können wir sagen, dass Pfadi am meisten geprägt wird, durch die Menschen, die
Pfadi machen?, dass Pfadi sich für eine Toleranz Aller einsetzt und so im Bezug Religion diese
nicht definitiv ablehnt, sich nur lossagt von allem, was eine Religiosität oder eine nicht-
Religiosität verbietet oder verunmöglicht?
Das sind Fragen, die ihr als „Pfadis-heute“ euch stellen könnt oder sollt oder müsst. Gibt es
noch etwas zu verändern?
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